Thinking of Europe 1. März 2023

JUNGE VISIONEN VON EUROPA: VERÖFFENTLICHUNG DES NARRATIVE-REPORTS

Was bedeutet es für junge Menschen heute, Europäer zu sein? Wie sehen sie Europa angesichts der zahlreichen Krisen und was treibt sie an? Auf der Grundlage von qualitativen Interviews untersucht der Bericht "Taking Europe Personally: Young Narratives of Europe" die Sicht junger Europäer:innen auf Europa, ihre Perspektiven auf aktuelle Konflikte und ihre Visionen für die Zukunft Europas. Er wird gemeinsam von der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa und der Alfred Herrhausen Gesellschaft im Rahmen des Thinking of Europe-Programms veröffentlicht.

ÜBER DEN REPORT

Der Bericht basiert auf 13 Interviews, die das Netzwerk Understanding Europe im Mai und September 2022 in Armenien und Deutschland geführt hat. Die 13 Freiwilligen, die für den Bericht interviewt wurden, repräsentieren eine Gruppe junger Europäer:innen, die gut über europäische Politik informiert sind und sich für die Stärkung der Zivilgesellschaft engagieren. Sie kommen aus acht europäischen Ländern und sind zwischen 18 und 25 Jahre alt. 

Der Bericht möchte Zugang zu den Erzählungen junger Europäer:innen zu geben, an die sie glauben und auf die sie ihr Handeln gründen. Er erforscht, was es bedeutet, heute jung und europäisch zu sein. 

In den einzelnen Interviews werden Imaginationen von Europa deutlich. Der Prozess der Imagination stützt sich auf einen vorhandenen Wissensbestand, Redewendungen, die Populärkultur und intuitive Grenzen des Möglichen.

ERGEBNISSE

Der Bericht spiegelt verschiedene junge Perspektiven wider und erörtert das Konzept der (Nicht-)Zugehörigkeit in Europa und die damit verbundenen Gefühle von Privilegien und Diskriminierung, die Sorgen junger Menschen, die Beziehungen zwischen Nationalstaaten und der Europäischen Union (EU) und untersucht die Perspektiven junger Europäer:innen zur Rolle der zivilgesellschaftlichen Demokratiebildung und schließlich ihre Visionen für die Zukunft Europas.

Erstens ist der Begriff der Zugehörigkeit mehrdimensional und umfasst emotionale Bindungen, rechtliche und politische Regelungen sowie geografische Bindungen: Viele Befragten reflektierten ihre Privilegien, die es ihnen ermöglichten, sich als natürlicher Teil Europas zu fühlen, während andere sich diskriminiert fühlten, darunter drei rumänische Teilnehmer:innen, die von ihren Erfahrungen mit Diskriminierung und Stereotypisierung auf Reisen in Westeuropa berichteten. Zugehörigkeit kann gefühlt, gespielt oder aufgezwungen werden, und dasselbe gilt für Nicht-Zugehörigkeit. Der Bericht hebt hervor, dass diese Emotionen eine entscheidende Rolle für das Verständnis dessen spielen, was Europa für junge Europäer:innen über eine politische oder wirtschaftliche Union hinaus bedeutet. Einige Befragte wünschten sich mehr staatsbürgerliche Bildung mit dem Schwerpunkt darauf, was es bedeutet, Europäer:in zu sein, während andere sich als Teil eines Vermächtnisses sahen, um die Vision einer Wertegemeinschaft weiterzuführen. In dem Bericht wird auch untersucht, wie junge Europäer:innen Europa in ihrem Alltag "leben".

Die Sorgen der jungen Menschen in Europa: Eine der größten Sorgen sind Konflikte und Krisen wie der Brexit und die russische Invasion in der Ukraine, die ein Bedürfnis nach Erzählungen wecken, die in einem unbeständigen und krisengeschüttelten Umfeld Vorhersehbarkeit und Orientierung bieten.

Junge Menschen legen Wert auf inneren Zusammenhalt und verstärkte Loyalitäten, und Konflikte führen auch zu einem Wettbewerb um Ressourcen. Ein weiteres Problem ist das Spannungsverhältnis zwischen europäischen Werten und Heuchelei, wobei sich Solidarität in Krisenzeiten als zentraler Wert herausstellt. Viele Teilnehmer bekräftigten die Existenz europäischer Werte wie Meinungsfreiheit und Vielfalt und sprachen sich für eine wertebasierte Außenpolitik aus, die keine Wirtschaftsdeals mit Diktaturen zulässt.

Das Verhältnis zwischen den Nationalstaaten und der Europäischen Union (EU) und die Frage, ob beide als kompatibel oder in Konkurrenz zueinander gesehen werden. Er erörtert die Vorteile der EU-Mitgliedschaft und die Notwendigkeit einer klaren Verständigung, die durch Nationalstolz und nationales Kalkül behindert werden kann. Der Artikel untersucht drei Gründe, warum nationale Narrative zugänglicher, einfacher und emotionaler verankert sind als Narrative über Europa. Diese Gründe liegen darin, dass die EU ein ständig erklärungsbedürftiges Gebilde ist, dass das Konstrukt der Staaten einen Vorsprung vor der Europäischen Union hatte und dass in einem europäischen Kontext das semantische Material für die Schaffung kollektiver Identitäten sehr vielfältig, verstreut und oft für beide Seiten unzugänglich ist. Der Artikel stellt fest, dass nationalistische Bewegungen der extremen Rechten in Europa auf dem Vormarsch sind, die die eigene Nation verherrlichen und andere Nationen abwerten.

Die Ansichten junger Europäer:innen über die Rolle der zivilgesellschaftlichen Demokratiebildung und ihre Visionen für die Zukunft Europas: Die Befragten sind der Meinung, dass Bildung uns lehren sollte, wie wir uns in der Gesellschaft engagieren und aktive europäische Bürger sein können, aber sie weisen auch darauf hin, dass die staatsbürgerliche Bildung in vielen europäischen Ländern große Defizite und strukturelle Herausforderungen aufweist. Als Lösung haben sie sich Understanding Europe angeschlossen, was es ihnen ermöglicht, sich zunächst weiterzubilden und dann durch ihre Workshops an Schulen mehr junge Menschen zu erreichen. Die Interviewteilnehmer:innen lehnen ein Europa ab, das nur "auf dem Papier gut ist", aber nicht zu seinen Werten steht. Sie plädieren für jüngere Abgeordnete, mehr Sichtbarkeit und Gleichberechtigung für marginalisierte Länder, eine kohärentere EU-Außenpolitik und mehr Einfühlungsvermögen und Mut, um aktuelle Krisen und Herausforderungen zu bewältigen. Insgesamt sind die Befähigung zu kritischem Denken, der Umgang mit Widersprüchen und das Verständnis für Pluralität wesentliche Fähigkeiten, die die jungen Europäer:innen von heute brauchen, um ihren eigenen Kontinent zu gestalten.

Lesen Sie den vollständigen Bericht hier.

Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an Christopher Büdeker.